Sarah schafft es bis ganz oben
Mächtige alte Eichen breiten ihre Zweige wie einen schützenden Schirm über den großen Spielplatz im Tierpark aus. Kinder juchzen, buddeln im Sandkasten und erobern lautstark die Klettergerüste. »Mamiii! Guck mal«, rufen sie. Ganz oben, von der Spitze der Holzburg, winkt Sarah. Mit ihrem pinkfarbenen Sweatshirt und den leuchtenden Gummistiefeln ist das kleine Mädchen nicht zu übersehen. Voller Energie rennt sie mit flatternden Haaren weiter zur Rutsche, zur Wasserpumpe, zum Streichelzoo. Niemand kann erahnen, dass das fröhliche, quirlige Mädchen fast gestorben wäre. Nur dünne Narben auf ihrem Brustkorb verraten, wie groß die Operation war, die Sarah überstanden hat.
»Sarah ist ein Wunder«, sagt die leitende Ärztin der Kinder-Kardiologie im Kinderzentrum Bethel, Dr. Christine Wegendt. Sie kennt die Kleine von Beginn an. Sarahs Mutter erinnert sich an die dramatische Zeit nach Sarahs Geburt, als wäre es gestern. Völlig unproblematisch seien die Schwangerschaft und Entbindung verlaufen. Doch schon kurz nachdem das Mädchen auf der Welt war, wurde festgestellt, dass die Sauerstoffsättigung im Blut Anlass zur Sorge gab. Umgehend wurde der Säugling in das Betheler Kinderkrankenhaus verlegt. Eine umfangreiche Diagnostik ergab, dass Sarahs Herz mehrere Fehlbildungen aufwies.
Um kleine Patienten mit so komplexen Problemen optimal zu versorgen, arbeitet das Kinderzentrum Bethel Hand in Hand mit hochspezialisierten Herzzentren zusammen. »Ich bin so dankbar dafür, dass sich Frau Dr. Wegendt in Bethel um allesgekümmert hat und mir immer Mut gemacht hat«, sagt ihre Mutter. Vor allem, als sich die Lage massiv zuspitzte. Denn noch vor dem geplanten Operationstermin entzündete sich der Herzmuskel des Kindes. »Die Situation war hochdramatisch. Sarah musste an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden und wurde vorsorglich auf die Warteliste für ein Spenderorgan gesetzt«, berichtet Dr. Christine Wegendt. Die Operation in der Fachklinik dauerte zwölf Stunden. »Ich weiß nicht warum, aber ich war mir ganz sicher, dass Sarah den Eingriff überstehen wird«, sagt ihre Mutter. Am schlimmsten sei vielmehr der Tag gewesen, als das Kunstherz abgeschaltet wurde. »Man sitzt im Elternzimmer und musswarten, kann nichts tun, außer zu hoffen, dass alles gut geht.
«Und das ist es. Schon bald konnte Sarah wieder verlegt werden. »Sie hat sich in unglaublich kurzer Zeit erholt«, bekräftigt ihre Ärztin. Mindestens zweimal im Jahr sieht sie ihre kleine Patientin im Betheler Krankenhaus wieder, um die Herzfunktion zu prüfen. Auch bei Infekten ist Vorsicht geboten. Wichtig sei, bei Entzündungen sofort zu reagieren. »Wenn meine Tochter am Wochenende Fieber bekommt, dann gehen wir direkt ins Krankenhaus. Die kennen das Kind«. »Auch wenn die Kinderklinik hier alt, verwinkelt und wirklich schlecht isoliert ist – mir ist es wichtiger, gut betreut zu werden. Die Mitarbeiter sind sehr einfühlsam und offen für alle Fragen und Ängste. Ich fühle mich in Bethel gut aufgehoben.
«Sarah geht mittlerweile in die zweite Klasse und ist eine aufgeweckte Schülerin. Ihre Ärztin aus Bethel freut sich sehr darüber, wie gut sich das Mädchen entwickelt hat. Alles darf die Siebenjährige mitmachen: die höchsten Klettertürme erklimmen, fröhlich mit Freunden um die Wette rennen, mit ihren Katzenspielen und riesengroße Stücke Käsekuchen verputzen – auch wenn sie ihr Leben lang kardiologisch überwacht werden muss. Im Büro von Dr. Christine Wegendt hängt eine große Girlande mit Fotos von ihren »Herzkindern«. Bestimmt wird in zehn Jahren ein Foto von Sarah dabei sein, auf dem sie stolz ihr Schulabschlusszeugnis hochhält.